Listenhunde – gefährlich oder missverstanden?

Immer wieder werden Beißvorfälle mit bestimmten Hunden von den Medien besonders dramatisch dargestellt.

Einige davon sind das leider auch.

Doch passieren gefährliche Hundebisse wirklich nur mit bestimmten Rassen, wie uns die Presse und Politik das weismachen will?

Besonders häufig trifft es American Staffordshire Terrier, Rottweiler und Staffordshire Terrier. Manchmal werden sie fälschlicherweise einfach als Pitbull bezeichnet (selten sind es tatsächlich American Pitbull Terrier). Diese Rassen stehen mit einigen anderen auch in manchen Bundesländern auf einer Rasseliste, die besonders gefährliche Hunde mit speziellen Auflagen in der Haltung einschränkt.

Sehen wir uns diese Listen einmal an, wird schnell deutlich, wie wenig durchdacht sie sind, denn offenbar ändert sich die Gefährlichkeit eines Hundes, sobald er die Grenze zwischen 2 Bundesländern übertritt (es stehen nicht immer die gleichen Rassen auf den Listen).

 

Doch ist eine Rasseliste überhaupt gerechtfertigt? Gibt es Hunde, die von Geburt an allein durch die Genetik gefährlicher sind als andere?

 

Die Antwort lautet ganz klar, NEIN! Zwar hat die Veranlagung eine gewisse Auswirkung auf den Charakter eines Lebewesens, jedoch bei weitem nicht die einzige oder größte. Denn viel bedeutender ist, wie das Tier aufwächst, wie es behandelt wird, was es lernt und kennenlernt. In den ersten Lebenswochen passiert dieses Lernen erst einmal durch Nachahmung der Mutterhündin bzw der erwachsenen Tiere.

Deshalb ist es nicht nur wichtig, wie es den Welpen selbst geht, sondern auch, wie sich die Mutter fühlt.

Wird die Mutter also „mit harter Hand“ von ihren Menschen geführt, lebt sie ein stressvolleres Leben, als in einer fürsorglichen Bindung mit Bezugspersonen.

 

Die Welpen beginnen außerdem bereits sehr früh mit der Charakterentwicklung durch Verhalten.

Schon in der ersten sensiblen Zeit werden Verhalten, die sich lohnen öfter gezeigt und solche, die negative Konsequenzen haben, weniger oft.

Dieses Lernen behalten Hunde (wie auch Menschen) ihr Leben lang bei. Das ist der Grund, warum wir mit ihnen trainieren können und auch warum sie gefährlich werden. Viel zu oft machen Hunde die Erfahrung, dass sich Kommunikation mit dem Menschen eben nicht lohnt. Und genau da beginnt sich das Desaster zu entwickeln.

 

Jeder Hund kann uns durch sogenannte Beschwichtigungssignale zeigen, wenn er etwas nicht möchte oder ihm etwas Angst macht. Wir müssen nur lernen zuzuhören. Wir Verhaltensberater/TrainerInnen helfen Im Zweifel natürlich gerne.

Wichtig dabei ist, dass wir offen dafür sind, wie sich unsere Hunde fühlen und, dass wir einen bedürfnisorientierten und gewaltfreien Umgang schätzen, damit sich auch der Hund mit uns wohl- und sicher fühlen kann.

Ignorieren wir  dessen Signale nämlich, lernt der Hund, dass es sinnlos ist, diese zu zeigen.

Er muss deutlicher werden.

Also wird er beginnen zu drohen (Knurren, Zähne zeigen).

Du kannst dir das so vorstellen, wie wenn du jemanden erst nett bittest, dich nicht anzufassen und wenn diese Person es weiterhin versucht, wirst du auch mal lauter.

Das ist völlig normal (sogar mit unseren Liebsten).

 

Leider wird genau das oft aus Unwissenheit (auch von unqualifizierten TrainerInnen) unterbunden und dann hat der Hund keine andere Wahl mehr als sich aktiv zu verteidigen.

Er beißt zu.

Anfangs noch ohne Verletzungen zu verursachen, doch mit jedem Mal stärker, denn endlich hat er etwas gefunden, das funktioniert. Immerhin schrecken wir Menschen meist im Reflex zurück, geben unseren Hunden damit also die gewünschte Distanz (hier entsteht Erleichterung).

Endlich kann er sich einer unangenehmen Situation entziehen.

Leider leuchtet bei uns Menschen meist erst zu diesem Zeitpunkt die rote Alarmleuchte auf und wir beginnen zu handeln.

Im besten Fall wird ein/e HundetrainerIn zu Rate gezogen, im schlechtesten landet der Hund im Tierheim und gilt als schwer vermittelbar, bekommt Auflagen oder wird gar eingeschläfert.

 

Im besten Fall hat der Hund gelernt, was funktioniert und wird in Zukunft immer öfter auf diese Strategie zurückgreifen, wenn er sich in ähnlichen Situationen wiederfindet.

Die ganzen höflichen Deeskalationsstrategien dagegen wird er immer weniger zeigen, denn sie bringen ihm nichts.

Das muss nicht sein, denn ein Eingreifen kann schon viel früher stattfinden. Werden die Bedürfnisse des Hundes berücksichtigt und wird er in unangenehmen Situationen unterstützt statt bestraft, muss es gar nicht so weit kommen.

 

Halten wir uns vor Augen, dass der Ursprung von Aggression meist in Angst zu finden ist, verstehen wir unsere Hunde vielleicht noch ein bisschen besser.

Ganz nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“ haben die Hunde gelernt, dass sie einer beängstigenden Situation nur durch einen Angriff entgehen können.

Ängstliche Hunde zeigen jedoch vorher sehr viele andere Anzeichen. Beispielsweise zurückgelegte Ohren, eine sehr glatt gezogene Stirn, weite Augen, eine eingezogene Rute, eine gekrümmte Körperhaltung und sehr viel mehr.

Erkennen wir solche Zeichen beim eigenen Hund gilt es, ihn behutsam an das beängstigende Ding zu gewöhnen.

„Da muss er durch“ war gestern.

Denn zwingt man den Hund in der Situation, die ihn ängstigt zu bleiben, wird er irgendwann beginnen sich zu verteidigen.

 

Leider werden gerade Terriern (Staff, Pitbull & Co) und Molossern (Rotti  & Co) allerdings oft die Fähigkeit, Angst zu empfinden abgesprochen.

Manchen Hundeeltern ist fast peinlich, wenn ihr großer starker Hund sich „wie eine Sissi“ verhält und sich fürchtet.

Doch Listenhunde können genau die gleiche Palette an Emotionen empfinden, wie andere Hunde auch und sie sind oft durchaus sensibel. Sie zeigen es nur anders.

Wo ein Terrier die Angst anfangs oft überspielt und herumkasperlt (na, kennen wir das nicht auch von uns selbst?), ziehen sich Molosser gerne in sich zurück (beim Menschen würden wir sagen „der frisst alles in sich hinein“). Das gilt allerdings auch für andere Vertreter dieser Gruppen, die nicht auf Rasselisten zu finden sind (ja, wir sehen viele Parallelen zwischen Jack Russel und AmStaff).

Für uns als Bezugspersonen ist die Angst oder Unsicherheit also vielleicht etwas schwerer zu erkennen, als bei anderen Hunden, doch diese Herausforderung nehmen wir zum Wohle unserer Schützlinge gerne an. Oder?

 

Wir können also festhalten, dass Beißvorfälle nicht häufiger mit Listenhunden vorkommen, dass es keine per se gefährlichen Hunde gibt und…

Dass wir Menschen in der Verantwortung stehen, unseren Hunden ein sicheres Leben zu ermöglichen und auch, für Sicherheit vor unseren Hunden für unser Umfeld zu sorgen.

 

Doch was ist mit dem Argument, dass sich Menschen solche Hunde nehmen, die das alles eben nicht beachten und extra einen gefährlichen Hund wollen?

Ja, die gibt es.

Rasselisten und Medienhetze bewirken allerdings keinesfalls, dass sich diese Menschen keine Hunde mehr besorgen (sie sollten nämlich überhaupt kein Tier betreuen). Werden Tiere aus diesen Haushalten geholt, haben sie keine Auflagen erfüllt und sind keinesfalls in Betreuung eines/einer bedürfnisorientierten TrainerIn.

IM GEGENTEIL.

Je mehr gehyped wird, wie gefährlich die „Kampfhunde“ doch sind, desto interessanter werden sie für solche Leute.

 

Abschließend können wir also festhalten, dass nicht die Rasse einen Hund böse werden lässt, sondern die Erfahrungen und Lernerfolge, die ein Hund in seinem Leben macht.

Immerhin zeigt die Beißstatistik, dass der Schäferhund ebenso „gefährlich“ ist. Und auch diese Rasse wird oft durch körperliche Gewalt erzogen.

 

Möchtest du deinen Hund besser verstehen, Ängste und (Leinen)Aggression loswerden und einfach mehr Lebensqualität für euch beide?
Du wünschst dir jemanden an deiner Seite, den du immer fragen kannst, wenn dich etwas aus dem Schlaf reißt und der (in dem Fall die) euch wirklich individuell und 1:1 betreut?
Dann lass uns unverbindlich besprechen, wie ich euch auf eurem Weg am besten unterstützen kann.

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